Alle Wege führen nach Rom – fast alle :-)

                                                                                                    In sieben Tagen von Bozen nach Rom auf dem  Sonnenradweg  bzw.  der  „Ciclopista del Sole“

Mit dem Radl nach Rom – ein schon lang gehegter Traum! Und der Zeitpunkt dafür war schnell gefunden: Weil Anfang September der Ötztaler Marathon auf dem Terminplan stand, sollte die Tour mit ein paar Tagen „Puffer“ enden und quasi als Grundlagen- bzw. Ausdauerwoche dienen. Auch ein Mitstreiter brauchte nicht lange gesucht werden, weil mir sofort Karl einfiel, mit dem ich früher schon einen TransAlp gemacht hatte und Karl auch schon viele Mehrtagestouren bewältigt hatte.

Einen Tag vor Beginn der Tour besprachen wir den groben Tourverlauf, was sich als ziemlich schwierig herausstellte, denn die Informationen über diesen Radweg, der meist nie beschildert wird, sind im Internet sehr spärlich. So hofften wir, dass eine GPX-Datei von einer dubiosen italienischen Homepage, eine 30 Jahre alte, von Karl schon fast ausrangierte, aber dann mit dem Teppichmesser zurechtgeschnittene Straßenkarte mit unvorteilhaftem Maßstab von 1: 10000 und unsere Hände und Füße reichen sollten, um irgendwie in Rom anzukommen. Das Abenteuer war somit vorprogrammiert, auch wenn ja angeblich alle Wege nach Rom führen.

Als Startpunkt wählten wir Bozen aus, da uns die Tour von dort aus für die zur Verfügung stehende Zeit  am besten geeignet schien, und auch der offizielle Startpunkt des EuroVelo 7 in Südtirol liegt.

Etappe 1: Bolzano – Alvio

Früh um 5.00 Uhr radelten wir zum Kindinger Bahnhof, von wo es weiter Richtung München gehen sollte. Dort angekommen stiegen wir in den Bus um und kamen gegen 12 Uhr in Bozen an, wo wir in den offiziellen Streckenverlauf des Sonnenradwegs einsteigen wollten. Die Taschen am Rad befestigt und schon ging es auf dem Etschtaler Radweg gen Süden. Da die erste Etappe relativ flach war, nahmen wir uns vor, möglichst viele Kilometer von der Gesamtdistanz (ca. 700 Km)  zu nehmen. Wir begegneten fast ausschließlich Radlern mit E-Bikes;  ein Kind sagte  beim Vorbeifahren sogar, als hätte es leibhafitg das Christkind gesehen: „Schau mal Papa, die zwei da fahren ohne Motor!“ Nach einem kurzen Stopp an einer Tankstelle  mit einer kurzen Kaffeepause planten wir Alvio als erstes Etappenziel ein, wo wir abends gegen 17:30 Uhr ankamen. Das Highlight des Tages lieferte Karl, der seine „Radhose“, falls man dieses löchrige und schon fast durchsichtige Stück Stoff nach knapp 13 Jahren Gebrauch noch so nennen darf, schweren Herzens im Mülleimer entsorgte – vermutlich, um für die anstehenden Bergetappen Gewicht zu sparen :).

Etappe 2: Alvio – San Benedetto al Po
Da wir zwei bekennende Spätaufsteher sind, legten wir das Frühstück auf 8:00 Uhr und den Start der Etappe auf 9:00 Uhr  mit dem Ziel „Po-Ebene“ fest.  An diesem Tag standen die ersten Hügel auf dem Programm, um den Kamm Richtung Gardasee zu überqueren. Schnell merkten wir das zusätzliche Gewicht durch unser Gepäck und es mussten pro Anstieg deutlich mehr Watt gedrückt werden als sonst ohne Taschen am Rad. Auf Strecken, die auch einem Mountainbikemarathon gut zu Gesichte stehen würden, ging es über Lazise an die Südspitze des Gardasees, nach Peschiera del Garda. Die warmen Wassertemperaturen nutzte Karl gleich zu einem ausgiebigen Vollbad – natürlich in Vollmontur.  Der Sprung in den See ist ja schließlich auch beim TransAlp mit dem MTB eine gute Tradition.
Etwas wehmütig verließen wir den Lago di Garda mit seiner Urlaubsstimmung und bereiteten uns mental auf etwas eintönigere Streckenabschnitte in der Po-Ebene vor. Dem Fluß Mincio entlang ging es nach Mantova mit seinen zwei wunderschönen Seen mit riesigen Seerosenfeldern und von dort weiter, teilweise sogar auf Trails, Richtung San Benedetto, welches direkt am gewaltigen Fluß Po liegt. Jetzt waren wir nicht nur körperlich im, sondern auch geografisch am Allerwertesten! 🙂
Etappe 3: San Benedetto al Po – Firenze
Wir hatten zwar keine Sauna gebucht, aber am Morgen des 3. Streckenabschnitts fühlten wir uns beim Aufwachen so, als hätte jemand gerade im Zimmer einen Aufguss auf die Kohlen geschüttet. Und auch der Wetterbericht sagte für den heutigen Tag strahlenden Sonnenschein und Werte um die 37 Grad voraus. Da es mit Schatten in der Po-Ebene eher mau ausschaut, legten wir sicherheitshalber eine Extraschicht Sonnencreme Lichtschutzfaktor 10 auf (Auslaufdatum Juni 2007 oder Karl? :-))
Auf Schotterwegen, die uns ordentlich einstaubten, ging es auf Dämmen von kleineren Flüssen entlang Richtung Modena. Unvergesslich war ein Plattfuss, bei dem ich knapp 2 Kilometer schieben musste, um halbwegs so etwas zu ergattern, was man als Schatten bezeichnen konnte. Der circa ein Meter hohe Busch war fast schon so etwas wie eine Fatamogana bei 42 Grad (laut Garmin), um dort die Panne zu beheben. Über Bologna gelangten wir dann nach Florenz. Der Hotelbesitzer gab uns zu verstehen, dass unsere Räder in sein Haus nicht rein dürften und er bzw. ganz Florenz auch so keinen Platz hätte. Gaaanz zufällig kennt er einen, der einen kennt, der uns weiterhelfen kann. So blieb uns nichts anderes übrig als eine (von der Mafia unterstützte?!?) kostenpflichtige Garage zu nutzen, wo nur Edelschlitten ala Lamborgini und Mazzerati geparkt waren. Natürlich bekam jeder einen Extra-Stellplatz mit Parkschein inklusive der Bezeichnung des Radherstellers-ein teures, aber immerhin sicheres Vergnügen. Abends spazierten wir noch durch das Nachtleben von Florenz und hörten einem Live-Konzert auf der Ponte Vecchio zu.
  
Etappe 4: Firenze – San Leo (Arezzo)
Nach einem *Ironie-on* ausgiebigen  Frühstück *Ironie-off* (siehe Bild), welches Karl aus Frust schon fast dem Hotelmafioso über die Theke kippen wollte :), ging es über ein paar Umwege im Großstadtgetümmel Richtung toskanisches Hinterland. Landschaftlich war diese Etappe ein absolutes Highlight und entschädigte für das erbärmliche Frühstück: Toskanische Pinien, enge und verwinkelte Ortsdurchfahrten, nette und offene Italiener in den Bars am Straßenrand; auch der Radweg führte uns jetzt fast nur noch auf verkehrsarmen und relativ gut befahrbaren Teerstraßen in der für die Toskana typischen Hügellandschaft weiter Richtung Süden. Das größte Hindernis des Tages stellte eine Brücke dar, die wegen Umbauarbeiten gesperrt war; da wir aber unbedingt über diese Brücke mussten, versuchten wir uns in typischer Italiener-Manier  mit viel Gejammer und Betteln drüber zu schummeln, was dann irgendwie auch (sogar kostenlos) funktionierte.
Etappe 5: San Leo (Arezzo) – Orvieto sul scalo
Am Frühstückstisch traute ich meinen Augen nicht, als Karl einen Berg von Sandwichscheiben mit Wurst und Käse vor mir auftürmte. Nach dem Florenzer „Frühstück“ vom Vortag einerseits verständlich, andererseits hatte ich aber Bedenken, ob ich heute das Hinterrad vom energiegeladenen bzw.  ja fast schon gedopten Karl halten kann. So hatte ich schon Hoffnung, als ich beim Einstieg in den Radweg einen „Edelhelfer“ für die lange Strecke mit viel Gegenwind entdeckte – allerdings war der Radlkamerad in Bronze gegossen und blieb da noch ein wenig länger stehen.
Zunächst ging es circa 30 Kilometer einem Kanal entlang und dann an den zwei Naturseen Lago di Montepulciano und Lago di Chiusi vorbei. Nach viel Schilf und dschungelähnlichen Pfaden kamen wir wieder auf asphaltierte Straßen und es wartete ein Anstieg über Ficulle zur Passhöhe Valico Montenibbio. Oben angekommen genossen wir die schöne Aussicht und dann ging es in einer langen Abfahrt zu unserem nächsten Etappenziel Orvieto sul scalo.
Etappe 6: Orvieto sul scalo – Cività del Castellana
Die vorletzte Etappe ging zunächst schleimig bergan bis zur Staumauer vom Lago di Corbara. Dann folgte der Lacher des Tages: Von weitem sahen wir schon eine ältere Frau  am Straßenrand sitzen. „Ou, die verkauft bestimmt was!“ meinte Karl. Wir fuhren eine Serpentine weiter und dann stand schon wieder eine Frau im Straßengraben, deutlich jünger und noch weniger bekleidet. Da dämmerte es uns langsam und ich gab Karl Recht: „Ja, Karl. Die verkaufen sich selber.“  Es sollte nicht die einzige Begegnung mit außergewöhnlichen Straßenbewohnern an diesem Tag bleiben.
Danach folgte ein Anstieg, der sich mit knapp 20 Prozent Steigung gewaschen hatte, so dass Karl schon fast wieder zu den Mädls umdrehen wollte :).  Aber die schöne Aussicht lenkte dann doch schnell wieder die Aufmerksamkeit auf die Strecke und das Etappenziel, das noch gut 60 Kilometer entfernt war. Durch hügelige Landschaft schlängelten sich immer wieder mittelsteile Straßen die Berge hinauf – apropo „schlängeln“ – Schlangen kreuzten auch immer wieder von links und rechts, denen wir wie Slalomstangen ausweichen mussten. Gebissen wurden wir zum Glück nicht – noch nicht. Ein verwilderter Hund stellte uns vor die nächste tierische Herausforderung. Mitten in der Pampa sprang er auf den Schotterweg und bellte uns an als wolle er ganz Rom verteidigen.
Karl fuhr vorbei, der Hund rannte ihm nach und verbiss sich in seine Satteltasche. Nur mit Mühe konnte ich mich dann überwinden an dem Hund vorbeizufahren. Mein Glück war wahrscheinlich, dass der Hund noch auf Karls „Taschenhappen“  herumkaute und ihm gerade nicht nach „Radlerhaxn“ war. Unser Pensum an Abenteuer war damit an diesem Tag ausreichend erfüllt und wir waren spät abends nach längerer Hotelsuche froh, uns mental auf die letzte Etappe vorzubereiten.

Etappe 7: Cività del Castellana – ROMA
ROMA sta chiamando.
                                      ROME is calling.
                                                                      ROM ruft.
Traditionsgemäß wird am letzten Tag der Tour de France das Maillot jaune, also das gelbe Trikot nicht mehr angegriffen. Auch Karl und ich wollten bei der letzten Tour nicht mehr viel riskieren. Unser Ziel war natürlich nicht die Champs Elysee, sondern der Petersplatz in Rom. Dass die Hauptstadt nicht mehr weit entfernt sein konnte, merkt man nicht nur am Tiber, der neben unserem Weg zum ständigen Begleiter wurde, sondern auch an den zahlreichen Wegweisern, die sogar im allerletzten „Kuhkaff“ die richtige Route anzeigten. Gegen Mittag überholten wir einen radelnden Holländer, der das gleiche Ziel wie wir hatte; allerdings hatte er deutlich mehr Kilometer in den Beinen, weil er sich von Amsterdam auf den Weg machte und schon zwei Wochen (mit Übernachtung im Zelt) unterwegs war. Wir trauten unseren Augen nicht, als wir sahen, dass der Mann in Flip-Flops unterwegs war – kann man so machen! 🙂 Dem Tiber folgend waren wir jetzt quasi „ante portas“. Wäre es nicht so heiß gewesen, hätten wir vielleicht sogar leichte Gänsehaut bekommen, als wir das Stadtschild von Rom sahen und schließlich am Petersplatz ankamen.
Es war geschafft!  716 Kilometer und knapp 7000 Höhenmeter waren es letztlich und auch ohne Audienz beim Papst und (Gottseidank) auch ohne Karls Sprung in den Trevi-Brunnen 🙂 waren wir froh und dankbar, gesund in der ewigen Stadt angekommen zu sein. Der Sonnenradweg machte nicht nur seinem Namen alle Ehre, sondern auch Lust darauf, in Zukunft noch weitere Strecken der Tour abzufahren.
                                                      È stata una grande aventura!
Ciao!

1 Gedanke zu „Alle Wege führen nach Rom – fast alle :-)“

  1. Ein schöner und aufwendiger Bericht. Hat Spaß gemacht zu lesen.
    War bestimmt nicht immer leicht…

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