Gran Fondo La Fausto Coppi 2017

Ein Ziel 2017 setzen. Das war der Gedanke Ende der Saison 2016 nach erfolgreich absolvierter Langdistanz: Etwas „Gemütlicheres“ raussuchen. Und nachdem sich bei mir die jährliche Zählerei 2017 zum 30. mal wiederholen sollte und auch der Fausto Coppi während der Saisonüberlegungen für das neue Jahr Ende 2016 Werbung für seine 30. Auflage gemacht hatte, war ich auch schon angemeldet.

Doch da hatte ich mir noch nicht klar gemacht, dass dies auch eine 8 Stunden Autofahrt (einfach) bedeutet. Dass ich kein Wort Italienisch kann, und sich außer mir natürlich auch keiner aus der näheren Umgebung oder gar Bekanntenkreis dafür angemeldet hatte. Und so habe ich das Vorhaben während der Saison 2017 immer weiter in den Hintergrund gedrängt und schließlich eigtl. auch schon „ad acta“ gelegt.

Bis mich unser Teamkollege Marco wieder motiviert hatte, dieses prestige-trächtige Rennen in Italien doch mit zu fahren. Und so habe ich mich in der Woche zuvor über das Internet noch kurzfristig um eine Unterkunft bemüht und bin am Samstag morgen nach Italien aufgebrochen, um dieses Saisonziel zu erleben und einen kleinen, aber anstrengenden Mini-Urlaub durchzuziehen.

Gesagt, getan. Tags zuvor noch kurz ein EU-Navi organisiert (dem Internet sei Dank) und schon gings gegen 8 Uhr morgens los. Während ich mich an der Landeshauptstadt vorbeigedrückt hatte, habe ich noch letzte Details und Updates mit der Unterkunftsstellerin ausgetauscht und nach 1x Tanken am Bodensee und einem weiteren Stopp in der Schweiz war ich irgendwann auch ante portas Italia. Nur eben auch einige andere und so lotste mich mein Navi über die kleinsten Nebenstraßen auf einen unbekannten Pfad an eine einsame und verlassene Grenze, an der man nicht noch 1,5 Std. zusätzlich warten musste. Endlich in Italien, waren auch die > 36 Grad und pralle Sonne im Auto deutlich zu spüren und ich dachte bereits an das Rennen morgen und wie es dort wohl laufen würde mit dem Wetter.

Abends bezog ich kurz mein Zimmer und machte mich auf meine Startunterlagen abzuholen. Kurz vor knapp konnte ich mir diese noch sichern, nachdem es noch etwas Ungereimtheiten mit dem ärztlichen Attest gab, auf das die lokalen Veranstalter Partou bestehen – am besten in dem vor Ort üblichen Format/Vorlage.
Nachdem auch dieses Hindernis geschafft wurde, konnte ich noch am „Abend der Nationen“ mit meinen mitgebrachten Lederhosen mir die schöne Altstadt anschauen – während dunkle Wolken um die Stadt herum tänzelten und böses Donnerrollen nichts Gutes verheißen ließen.

Am nächsten Morgen der gewohnte Sportevent-Ablauf. Frühes Aufstehen, Frühstücken und Fertig machen für das Rennen. Bloß nichts vergessen und natürlich dauert alles wieder etwas länger als eingeplant. Auf dem kurzen Weg zum Herzen der Altstadt, wo das Rennen um 7 Uhr Morgens starten wird, herrscht noch verschlafen stille Stimmung in der italienischen Stadt. Doch kaum kommt man in die Nähe des Hauptplatzes, vermehren sich rasch die Radtrikots und erste Lautsprecherdurchsagen sind bereits 2 Straßen weiter zu hören. Kurz vor dem Start konnte ich dann noch eine Runde um die tausende Starter drehen und das gigantische Aufkommen von Radsportlern auf mich wirken lassen. Auffällig war, dass ich wohl der einzige war, der nur eine Standard-Kassette und keine Bergübersetzung montiert hatte. Zumindest wurde ich mindestens 2-3x darauf hingewiesen, dass es wohl doch recht hügelig wird… Na gut, also doch nicht nur Sonntagsausflug und „fluarn“ dachte ich mir…

Punkt 7 Uhr ging es dann auch los. Im ersten Block waren nur Profis und solche, die dazu zumindest angemeldet sind. Ich hatte mich über die Absperrung drüber irgendwo bei der Hälfte platziert. Getreu dem Motto „Mittendrin statt nur dabei“  🙂

Gleich nach 1 km teilt sich das Feld in die Strecke des Medi Fondo und des Gran Fonds – dem Original. Danach war die  erste halbe Stunde komplett flach und von Kreiseln – die allesamt auf der falschen Seite von hunderten Radsportlern umfahren wurden – und einem hohen Anfangstempo, bei dem man hochfrequent sich „warm fahren“ konnte, geprägt.
Dann fing es an leicht zu tröpfeln. Was ich zuerst noch mit positiven Gedanken empfangen habe (Gut für die sonst recht stickige Luft, evtl. ein paar Grad angenehmer das spätere Rennen/spart einiges an Schwitzarbeit, und auch den staubigen Straßenbelag könnte es ja etwas säubern). Nun ja, aus dem Tröpfeln wurde Nieseln, und aus den Hoffnungen, dass es dabei blieb, wurde die traurige Wahrheit, dass es sich zum Nieseln und schließlich zum ausgewachsenen Regen hocharbeiten sollte. Problem war nicht nur, dass man erst bei den ersten 30 von 180 km und quasi noch Null Höhenmetern war (und wer will schon 150 km in nassen Radschuhen fahren?) – nein, ein weitaus größeres Problem zeigte sich mir, als beim nächsten Anbremsen vor dem Kreisel mein Hinterrad meinte es wäre schon Weihnachten und bereit mit der Schlittenfahrt anfangen wollte.. Konnte es noch mit Bremsen lösen und schnellem Weitertreten auffangen – und war fortan gewarnt es heute doch etwas ruhiger angehen zu lassen. Einen Sturz wollte ich auf keinen Fall riskieren – versteht einen ja keiner, wenn man auf bayerisch hier unten flucht! ^^

Dann ging es auch schon in den ersten Anstieg hinein und das Nass war schnell vergessen, da es, wenn auch moderat, aber stetig bergauf ging. Hier trennte sich auch schnell die Spreu vom Weizen und man merkte schnell, wer ambitionierter in die Pedale trat und wer froh war, wenn er den heutigen Tag und die wohl noch kommenden Berge überstand und vielleicht bereits jetzt seine Kräfte entsprechend einteilte.
Die erste Verpflegungsstation kurz vor der ersten Abfahrt wurde natürlich obligatorisch rechts liegen gelassen und so ging es auf regennasser Straße erst mal wieder bergab. Gewarnt von der Schlitterpartie im flachen ließ ich es ungewohnt ruhig angehen und bremste mich den Berg hinunter. Dabei habe ich mir überlegt, ob denn die Bremsflanken für drei weitere und noch höhere Bergabfahrten ausreichen würden, wenn das Wetter so bleibt und man ständig auf nasser Straße bergab bremsen würde.

Nun folgte der zweite Berg. Ich fühlte mich nun richtig „im Rennen angekommen“ und kurbelte munter bergauf vorbei an weiteren Trikots wie meinem. Denn bei dieser Veranstaltung bekommt man sein Finishertrikot bereits bei der Startnummernausgabe und es ist obligatorisch dies auch im Rennen bereits an zu haben. Ein schöner Anblick, wenn so viele einheitlich unterwegs sind übrigens. Zweite Abfahrt.
ACHTUNG: Da es zuvor beständig regnete, die Straße aber in den Tagen und Wochen zuvor staubtrocken war, bildete sich ein fieser, schmieriger Film auf dem Straßenbelag. In der Folge musste ich leider selbst ein paar Stürze mit ansehen und kam an weiteren offensichtlich bereits gestürzten Kollegen in den Serpentienen vorbei. Fahrt bitte vorsichtig, gerade bei schwierigen Bedingungen!
Na gut. Das Feld lichtet sich und es hat aufgehört zu regnen oder zu nieseln. Im Tal drücke ich ein bisschen aufs Gas und nicht alle können die hohe Trittfrequenz mit gehen und suchen sich weiter hinten Windschattengruppen, in denen mehr mit gerollt als gekreiselt wird. Und bevor man es merkt –

ist man auch schon im Vorspiel zum dritten und größten Anstieg. Dem Highlight dieses Rennes, das auch schon beim Giro einige Male zum Einsatz kam. Weshalb, sollte sich noch eindrucksvoll zeigen. Am Fuß des Berges vernahm ich noch Nachrufe wie „Tony Martin!“ (wohl eher weil auf meiner Startnummer auch „Martin“ stand) oder „das hältst du doch nicht durch“ (wo ich mich die nächste Stunde dann ab und zu fragte, was er damit meinte – bis ich ums Eck bog und den Rest des Berges auf einmal sah. Aber da ich kein Bergritzen-Paket hatte, blieb mir eh nichts weiter übrig als fleißig weiter einen nach dem andern der Drahteselreiter langsam, aber beständig einzuholen). Bevor man die Baumgrenze dann überschritt und etwa die Hälfte (hoffentlich bereits mehr) des Anstiegs hinter sich hatte, gab es noch eine Stärkungsstation und ich freundete mich bereits mit dem braunen Zuckergetränk an, das ich mir sonst nur in der letzen Stunde eines langen Sporttages gönne. Nur nicht zu lange Pause machen und die ganzen Eingesammelten wieder aufholen lassen. Und so musste ich feststellen, dass mit jedem Höhenmeter nicht nur der Gipfel ein klitzekleines bisschen näher kam – sondern auch die Luft immer dünner wurde. Die letzen hundert Höhenmeter ließ ich dann meine Tempospielchen mal pausieren und versuchte das Ganze noch sicher und vor allem beständig über die Bühne zu bekommen. Jetzt ist man in der Gegend, bei der man den Profis im Fernsehen oder am Straßenrand immer zujubelt und sich als Außenstehender gar nicht richtig in die Lage versetzten kann,welche Leistung es ist genau dann noch auf dem Gas zu bleiben – oder gar eine Attacke im wahrsten Sinne des Wortes zu riskieren. Zum Glück ist es hier nur ein Gran Fondo und ich bin nur zum Genießen des Alpenpanoramas verpflichtet 🙂
Oben angekommen gab es warmen Tee und die üblichen Häppchen der Verpflegungsstationen. Nach ein paar Minuten Auftanken und Aussicht genießen packte ich mich in meine Jacke und stürzte mich in die Abfahrt. Wobei ich hier eindringlich darauf hinweisen möchte, dass es eine sehr gute Idee war dies verhalten angehen zu lassen! Die nächsten 30 Minuten ging es rasant bergab und neben eines in der Mitte auseinander gebrochenen Karbon-Flitzers an einer Felswand musste ich leider auch an einer Unfallstelle vorbei, bei dem die Sanitäter schwer zu tun hatten!

Unten angekommen war das Feld nun deutlich ausgedünnt und nur noch vereinzelt Starter unterwegs. Und nicht nur die Strecke, sondern vor allem die Höhenmeter bekam man langsam zu spüren. Ich war froh, dass die Anstiege kühl waren und ich nicht noch mehr Mineralien dabei verloren hatte. Und mit dem langsam sich noch einmal kurzzeitig einschleichenden Nieselregen schlich sich auch der letzte kleinere Anstieg in die Strecke ein. Die Spritzigkeit war nun endgültig vom monotonem Kurbeln abgelöst und so drückte man seinen Gang unweigerlich dem Ziel entgegen bergauf. Als der Regen nun endgültig seine letzten Tropfen aushauchen sollte, tat der Anstieg es ihm gleich und so wartete vor der letzen diesmal etwas kürzeren Abfahrt nun noch ein Gaumenschmauß an der letzen Verpflegungsstation. Neben Orangen und warmen Sandwichen gab es hier auch frische Erdbeeren und Himbeeren sowie Suppe, Nachspeisen und und und… Man musste sich schon richtig vom Schlemmen selbst los reißen und wieder die etwas regennasse Abfahrt angehen.

Frisch gestärkt machte sich die letzte Verpflegungsstation im Tal dann bemerkbar und so konnte ich mit neuen Kräften den letzten flachen Teil mit neuen Kräften und einer angenehm hohen Durchschnittsgeschwindigkeit angehen. Dabei habe ich mir noch 2 Mitstreiter in den Windschatten eingefangen, die sichtlich froh waren ein Zugpferd gefunden zu haben und kämpften damit den Anschluss nicht zu verlieren. Nach etwa einer halben Stunde Arbeit im Wind konnten wir so noch zu der Gruppe vor uns aufschließen und rollten nun bis nach Cuneo zurück zusammen mit dieser dahin. In Cuneo angekommen entschied ich mich nun noch einmal „die Sau raus zu lassen“ und nicht mit 20 Leuten ins Ziel rollen zu wollen. Also packte ich alles auf eine Karte und habe auf einer langen Gerade das Feld von hinten überholt und bin tapfer auf dem Gas geblieben, um ihnen keine Hoffnung auf ein erneutes Einholen mehr zu machen. Nachdem mich die ersten Gefühle beschlichen, ob ich es nach > 160 km und > 4.000 hm nicht doch etwas zu sportlich krachen hab lassen und die Reststrecke nicht doch noch weitere 5 km wären, kam dann das erlösende 1 km bis zum Ziel Schild. Und da ich meine Verfolger bereits nicht mehr gesehen hatte, genoss ich die letzen Kurven und eine einsame Zielankunft.

Insgesamt kann ich die Veranstaltung nur jedem Radsportbegeisterten empfehlen! Ihr solltet nur das ärztliche Attest mit deren Vordruck dabei haben und auch bereits einige km in den Beinen, damit die Tour auch bis zum Schluss noch Spaß machen kann.

Anbei noch ein paar Bilder von der Tour.

Allez Allez!

 

http://www.faustocoppi.net

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